IMPRESSUM |
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Verfasserin: Ida Schröder, Nettersheim‑Frohngau Zeichnungen: Bernd Kehren, Schleiden‑Gemünd Redaktion: Klaus Ring, Blankenheim‑Waldorf |
Herausgeber: Gemeinde Nettersheim Druck und Herstellung: AW‑Druck, Weilerswist Copyright: Gemeinde Nettersheim 1985 |
VORWORT "Die Mundart lebt“. ‑
Seit Jahren erfahren wir aus Presse und Rundfunk sowie auf Tagungen landes‑
und volkskundlich Tätiger, dass Mundart wieder zunehmend salonfähig werde. Wenn
man die Neuerscheinungen rheinischen Schrifttums studiert, ist in der Tat
seit einiger Zeit eine bemerkenswerte Zunahme mundartlicher Literatur zu
beobachten. Nur an einem der Kerngebiete ländlicher Kultur im Rheinland, der
Eifel, ist diese Entwicklung bisher anscheinend ziemlich spurlos
vorübergegangen. Warum wird in der Eifel, insbesondere bei uns in der
nördlichen Region, so wenig Eefeler Platt veröffentlicht. Sind die
Mundartsprecher hier im Aussterben oder schämen sie sich ‑ immer noch ‑
ihrer einstmals so verachteten Volkssprache? Schon allein aus der Überlegung
heraus, diesem Mangel abzuhelfen und anderen Mut zu machen, ihre Mundart auch
und gerade in der Öffentlichkeit wieder zu pflegen, hat sich die Gemeinde
Nettersheim entschlossen, das vorliegende Bändchen herauszugeben. Die kurzen Prosastücke, zum Teil
bereits in der "Kölnischen Rundschau", Lokalausgabe Schleiden, in
loser Folge abgedruckt, stammen aus der Feder einer in ihrer gereiften
Persönlichkeit und offenen Herzlichkeit faszinierenden alten Dame. Ida
Schröder, Jahrgang 1912, seit ihrer Geburt in Frohngau lebend, scheint mir
eine echte literarische Entdeckung für die Eifel zu sein. In ihren
"Eifeler Kalendergeschichten" gelingen ihr mit wenigen Sätzen
Charakterstudien über Menschen und Landschaft, die in ihrer Gradlinigkeit und
anpackenden Kürze an Beschreibungen Clara Viebigs erinnern. Wie bei ihr
stehen auch bei Ida Schröder immer die Menschen im Mittelpunkt der
Betrachtung, sogar, wenn Vorgänge wie Brotbacken, Heumachen oder Schlachten
von 50 Jahren beschrieben werden. Bezeichnend für diese Betrachtungsweise
erscheint mir der Schluss einer Erzählung über einen Besuch in der
Holzmülheimer Mühle: "Ich krech von dä Frau Raths ee Weckstöck met
Honnich. Dadraan denke ich höck noch, wenn von Rathse Möll jesprauche
wieet." Erinnerungen an die Vergangenheit sind Erinnerungen an Menschen;
dies zieht sich wie ein roter Faden durch Ida Schröders Geschichten. Mundartliches wird fatalerweise bei
vielen Menschen immer noch mit Klamauk, seichter Heimattümelei oder Karneval
in Verbindung gebracht. Die "Eifeler Kalendergechichten" der
Autorin Ida Schröder haben da einen völlig anderen Zuschnitt: Natürlich kann
man oft schmunzeln über das Erzählte oder auch, wie es erzählt wird. Ein
schenkelklopfendes lauthalses Lachen stellt sich jedoch nie ein, und es ist
auch fehl am Platze. Viele der Geschichten handeln vom Tod, von der
Krankheit, vom Verlassensein, von Problemen der Gegenwart. Es werden Dinge
beim Namen genannt, die in der mundartlichen Heimatliteratur zumeist
tabuisiert werden: Sex und Liebe, das nichteheliche Kind,
Ausländerproblematik. Ist das vorliegende Büchlein also überhaupt
Heimatliteratur? Was sie unter Heimat versteht, hat
Ida Schröder selbst beschrieben: "Vüe mich es de Famellich de Heimat.
Äwwe och et Dörf, wo me jede Schrett on Trett kennt, die jood Bekannte, die
me hätt. Debej hüet de Kerch, wo me en Freud on Leed jebädd hätt. Dä
Kerchhoff, wo su vell üss menge Famellich bejrawe sen. Die Flur hüet debej on
dä Bösch, däe en dä 60 ‑ 70 Joohr su jood jewaaße es. Alles dat hüet
debej. Och oss Platt, dat su vell Löck vemess haan, die fott jetrocke
sen." Sie gesteht gern zu, dass Heimat für jeden etwas anderes bedeuten
kann; nur dass Heimat sich ausschließlich in der Vergangenheit abspielt, das
ist ihr fremd. Und wenn Heimat etwas mit Gegenwart, sogar mit Zukunft zu tun
hat, dann gehört in die Heimatliteratur nicht nur die Flucht des
Blankenheimer Grafen, der wandernde Handwerksgeselle oder die
Kindheitsweihnacht, sondern es haben hier auch Platz der verzweifelte Türke
am Kaller Bahnhof, die seit Monaten am Ernährungsschlauch hängende alte Frau,
die ledige Mutter. Ida Schröders Erzählungen sind in
bemerkenswerter Weise unsentimental. Sie verfällt weder in moralisierende Predigten noch vergisst
sie Krokodilstränen über die vergangene, ach so gute Zeit. In der Geschichte
"Von Döppe on Keißele" lässt sie einen alten Gußeisenkessel über
seine Erlebnisse berichten und endet so: "Et es jood, dat menge Keißel
net vezälle konnt. Ich jlöwe, et wäe net vell Joods erüss konn. Materielle
Not, Hunger, soziale Probleme auch ein Thema Eiteler Vergangenheit. Wer die Autorin mit ihren hellwachen
Augen durch ihre Welt begleitet und sich nicht blenden lässt vom Schein,
nicht beeinflussen lässt von gängigen Vorurteilen, erfährt und erlebt vieles
aus bislang unbekannter Perspektive. Ida Schröders Erzählungen veranlassen
den Leser zum Nachdenken, zum Nachdenklich‑Werden über sich selbst,
seine Mitmenschen, über Glaube, Zeit und Raum. Sie weisen in ihren Inhalten
weit über die engere Heimat hinaus, und sind doch eine durch und durch
bodenständige Eifel‑Literatur. Für den Wissenschaftler mag es
bedauerlich scheinen, dass diese Mundartprosa nicht in der neuen
"Rheinischen Documenta", der inzwischen international anerkannten
Lautumschrift, erscheint. Als Redakteur und Herausgeber meinen wir jedoch,
der Respekt vor dem literarisch‑künstlerischen Urheberrecht der Autorin
gebiete es, auch im Schriftbild die einmal gewählte Form beizubehalten. Es
würde schließlich auch keinem Herausgeber einfallen, etwa Stefan Georges
Lyrik den orthographischen Normen anzupassen oder gar Goethes scheinbar
verunglückten Reim "Ach neige, du Schmerzensreiche..." zu
harmonisieren. Nicht auszuschließen ist, dass für ein und denselben Laut
gelegentlich unterschiedliche Schriftzeichen und Kombinationen verwandt
worden sind. Die Entscheidung, Erklärungen oder
Übersetzungshilfen nicht zu geben, basiert ebenfalls auf der Überlegung, dass
es in diesem Bändchen nicht darum geht, volkskundliches Material über die
dörfliche Vergangenheit auszubreiten. Es handelt sich vielmehr zu allererst
um Literatur, die daneben zweifellos auch Informationen über alte Lebens‑
und Arbeitsformen vermittelt; dies jedoch erst an zweiter Stelle. Wir wünschen den "Eifeler
Kalendergeschichten" eine weite Verbreitung und viele einfühlsame Leser. Nettersheim und Waldorf, im September 1985 Hermann‑Josef Mießeler Klaus
Ring Gemeindedirektor Redaktion |
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